#4 Warum sind die Eigenschaften eines Bricoleurs wichtig für eure Arbeit?
Wenn die Zeit knapp ist, benötigen wir Lösungen, die wir schnell produzieren können – also mit den vorhandenen Materialien und Produktionsmethoden. Besonders bei der Entwicklung von Funktionsmustern oder Prototypen hilft es, auch mal zu fragen, ob ich nicht die gerade vorrätige Schraube verwenden kann. Für die Herstellung des Endprodukts kann ich dann immer noch die hochwertigere oder günstigere Variante wählen. Insbesondere bei Prototypen lohnt es sich, mal schnell in die Bibliothek der verfügbaren Standardteile zu schauen und die Schnittstellen entsprechend zu gestalten. Der 3D-Druck eröffnet Bricoleuren zudem ganz neue konstruktive Freiheiten: Er ermöglicht es, Formen, die bisher nicht oder nur mit sehr grossem Aufwand produzierbar waren, schnell über Nacht oder in zwei bis drei Tagen herzustellen.
Sowieso lohnt es sich immer, zu wissen, was vorhanden ist und sich auch von den vorhandenen Materialien oder Konzepten inspirieren zu lassen. Schon manche clevere Idee ist nur dadurch entstanden, dass Ressourcen wegfielen und es notwendig war, andere Lösungen zu suchen. Die Arbeit nach dem Bricoleur-Prinzip fördert auch die Kosten-Nutzen-Effizienz. Denn bei der Konzeption ist immer auch die Verfügbarkeit zu beachten: Ist das schlecht verfügbare Spezialmaterial wirklich notwendig oder könnte ich mit einer Anpassung der Konstruktion nicht auch ein anderes Material verwenden?
#5 Wie schlägt sich das konkret in der Arbeit von TecVentum nieder? Mit welchen Ressourcen arbeitet ihr?
Unter anderem mit den eben erwähnten Blechteilen und dem 3D-Druck. Individuelle Blechbiegeteile modellieren wir im CAD und bestellen sie online. Die haben wir in rund einer Woche auf dem Tisch. Das gleiche Prinzip gilt für den 3D-Druck. Mit dem Druckverfahren FDM können wir Teile über Nacht selbst drucken. Professionelle Dienstleister drucken mit Methoden wie SLS oder MJF Teile von hoher Qualität. Das dauert drei bis fünf Tage.
Zudem ist das Know-how über die verschiedenen Produktionsmethoden sehr wichtig. Die Art und Weise, wie etwas produziert wird sowie Möglichkeiten und Einschränkungen von Anfang mitzudenken, steigern die Effizienz.
#6 In welchen Phasen eines Projektes sind die Qualitäten eines Bricoleurs besonders hilfreich?
Insbesondere im frühen Stadium eines Projektes, wo es um gute Ideen und deren schnelles Prüfen geht, oder wenn Ansätze möglichst schnell validiert und geprüft werden sollen, ist eine gute Portion «Bricoleur» angesagt. Da helfen Fragen wie: Wie gut muss der erste Entwurf tatsächlich sein? Welche Funktionen müssen zwingend abgebildet werden?
Als Kinder haben wir den Bricoleur-Ansatz noch gelebt: Wenn es für die Landschaft aus Lego keine blauen Steine mehr in der Kiste gab, wurde der See mit roten und gelben Steinen weitergebaut. Und wenn keine Achter-Steine mehr da waren, wurden die Vierer verwendet. Am Anfang ist Perfektion noch nicht wichtig. Der Ingenieur verlernt im Laufe seines Lebens zu improvisieren.
#7 Welche Eigenschaften brauchen Ingenieure ausserdem, um erfolgreich zu konstruieren
Zum effizienten, erfolgreichen Konstruieren ist Erfahrung wichtig. In unserem Alltag gilt es, eine gesunde Mischung aus Ingenieur und Bricoleur zu finden. Wenn wir z. B. eine Konstruktion optimieren – sei es bezüglich des Gewichtes, der Kosten oder der Zuverlässigkeit –, reicht es nicht mehr, die im Lager vorhandenen Schrauben zu verwenden. Dann lohnt es sich allenfalls sogar, eine spezifische Schraube produzieren zu lassen, zum Beispiel, weil die vorhandene beim Neukauf zu teuer ist.